(Christine Jann) Auch wenn die Kirche am 1. November eigentlich aller Heiligen (den bekannten und den namenlosen) gedenkt, hat am Nachmittag der Besuch der Gräber auf den Friedhöfen eine lange Tradition. Die verstorbenen Angehörigen gehören einfach zu uns, haben uns begleitet und geprägt, erinnerte Pfarrer Herbert Kohler dann auch die vielen Friedhofsbesucher, die sich am Nachmittag zum Totengedenken am Alten Friedhof einfanden.
In seiner Ansprache griff er den Spruch auf: „Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben.“
Nur allzu viele Menschen würden die Begrenztheit des Lebens aus eigener Erfahrung kennen, betonte der Seelsorger und erinnerte an die Todesfälle der letzten Woche: Wenn trotz aller Therapien, Arztbesuche und aller Bemühungen, ein Leben zu Ende geht.
Er selbst habe bei seinem krebskranken Bruder auch die Erfahrung gemacht, dass man manchmal an den Punkt käme, einem Menschen auch zu wünschen, dass er gehen könne. Gleichzeitig sei die letzte Zeit auch geprägt gewesen von einer intensiven Beziehung und vielen tiefgehenden Gespräche.
„Den Tagen mehr Leben geben“ wünschte sich Pfarrer Kohler daher als Reaktion auf die Endlichkeit des Lebens. Wenn jeder Tag als Geschenk empfunden wird, dann bekommt alles viel mehr Wertschätzung. Damit ermunterte er alle Anwesenden durch Aufmerksamkeit und Achtsamkeit den Tagen mehr Leben zu geben. Dazu gehörten seiner Meinung nach auch ganz kleinen Dinge: z.B. hinzuhören auf die Vögel, die Sonnenstrahlen bewusst zu genießen. Aber auch die Fürsorge und Achtung auf die Menschen um einen herum: ein gutes Wort, statt Kritik, oder auch mal ein paar handgeschriebene Zeilen seien nur ein paar kleine Beispiele.
Nach diesen aufbauenden und beseelenden Worten segnete Kohler die Gräber unter dem Klang der Stadtkapelle, die die Feier musikalisch begleitete.