(Christine Jann) Prof. Thomas Schwartz, der Geschäftsführer des kath. Ost-Hilfswerkes Renovabis, war trotz seiner großen Reisetätigkeit zum ersten Mal in Neuburg und dankte Pfarrer Herbert Kohler für die Einladung. Dass er als Gast zur Weltsynode eingeladen wurde – und das per WhatApp-Nachricht – hatte ihn selbst sehr überrascht und erstaunt, genauso wie noch vieles mehr, was er dort erlebte.
Seine Erzählung am Sonntag in der Hofkirche galt dabei nicht den Beschlüssen und den Inhalten der Synode, sondern v.a. ihrem Anliegen und dem „Modus operandi“, der Art und Weise der Durchführung. Gespickt mit witzigen Anekdoten und humorigen Bemerkungen brachte er diese gut auf den Punkt.
Was war für Papst Franziskus der Anlass und Grund, im Jahr 2021 die Weltsynode ins Leben zu rufen?
Nichts weniger als die große Herausforderung, vor der die Kirche im 21. Jahrhundert steht. Die Kirche ist zu einer Weltkirche geworden mit vielen kulturellen, politischen, geschichtlichen Unterschieden. Wie kann Kirche angesichts ihrer Vielfalt noch universal bleiben, d.h. eine Botschaft für alle haben? Wie kann sie ihre Einheit bewahren und glaubwürdig Zeugnis ablegen für das Evangelium?
Die Antwort des Papstes ist der „synodale Prozess“, der nicht nur Antworten bringen soll, sondern als Modus Operandi, als Art des Miteinanderumgehens selbst schon Antwort ist.
Was bedeutet Synodalität?
Ein Beispiel liefert das Apostelkonzil der frühen Kirche. Die Kirche drohte an der Frage, ob Heidenchristen das jüdische Gesetz und die Beschneidung annehmen müssten, zu zerbrechen. Wie reagierte man auf diese erste „Identitätskrise“? Die Apostelgeschichte berichtet davon, dass die Apostel und Ältesten und Gemeinde zusammenkamen, um gemeinsam zu beraten. Sie waren überzeugt, der Hl. Geist ist bei ihnen, er kennt die Lösungen und Antworten und ihre Aufgabe besteht darin, im Gebet und im Hören auf ihn und aufeinander seine Weisung heraus zu hören.
Synodalität bedeutet ein Zusammenkommen, ein sich Versammeln um einen „Runden Tisch“ in einem besonderen Klima. Es braucht ein gegenseitiges Zuhören und Aufeinanderhören, ein Innehalten und ein gemeinsames Ringen um Lösungen, ohne sich gleich die Köpfe einzuschlagen.
Synodalität lebt aus der Überzeugung: Kirche sind wir alle, daher muss auch jeder seine Stimme einbringen können.
Wie ist das zu bewerkstelligen?
Die Weltsynode brach gleich an mehreren Stellen mit der bisherigen Praxis von Konzilien oder Zusammenkünften:
- es hatten nicht nur Bischöfe und Kardinäle eine Stimme, sondern auch Frauen, Theologen, Ordensleute …
- es gab dabei keine Rangordnung oder Ehrenplätze für Bischöfe, sondern alle waren gleichberechtigt, für alle galten die gleichen Regeln. Auch beim Essen gab es keine festen Plätze, sondern das „Durchwirbeln der Mitglieder“ war System
- Auch der Austausch in der Synodenaula fand an runden Tischen statt, an denen 10-12 Teilnehmer saßen – ohne feste Sitzordnung, jeder der kam, nahm am nächsten freien Sitz Platz
- das erste Treffen begann mit einem Einkehrtag, indem alle darauf eingestimmt wurden, worum es geht.
Vor allem aber braucht Synodalität eine klare Struktur des Vorgehens, eine „Konversation, ein Gespräch im Hl. Geist“. Der Austausch an den Tischen der Synode folgte ganz festen Regeln:
1. Zeit des stillen Gebets, um sich einzustimmen und sich zu öffnen für die Antworten, die Gott schon lange bewusst sind.
2. Die Einladung zum eigenen Redebeitrag, der für alle auf 3 Minuten begrenzt wurde.
3. Bewusstes Schweigen, um das Gehörte aufzunehmen und wirken zu lassen: Was bewegt mein Herz?
4. Austausch über das Erfahrene: nicht nur rationale Diskussion, sondern auch geistliche Prüfung. Wo ist das Wirken des Geistes zu sehen?
5. Erst nach der Reflexion erfolgt die Synthese und Entscheidungsfindung: Wo gibt es Übereinstimmung, was kann festgehalten werden? Aber auch Diskrepanzen werden benannt und bleiben stehen.
Im Unterschied zu demokratischem Kompromissen vertrauen so gefundene Entscheidungen auf das Wirken des Hl. Geistes. Dementsprechend hat Papst Franziskus auch auf die eigene Nachbearbeitung der synodalen Beschlüsse verzichtet und das vor Ort Beschlossene veröffentlicht.
Zusammenfassung der Erfahrungen auf der Synode:
Synodalität ist ein Prozess, der auf drei Säulen ruht:
- dem Bewusstsein, dass Kirche nicht als Institution zu sehen ist, sondern dass alle Gläubigen Kirche sind und jeder seine Stimme hat und einbringen kann und soll
- der Überzeugung, dass Kirche eine lebendige, geistliche Gemeinschaft ist, die auch Spannungen aushalten und Unterschiede stehen lassen kann und bei allem staunend weitergeht.
- der Bereitschaft, neue Formen der Leitung zu entdecken, wo Leitung kein Herrschen, sondern ein Dienst ist.
(Bilder: Wolfgang Böhm)